Wie Dir das Montreux Jazz Festival hilft, durch die Krise zu kommen

Vor einigen Tagen stieß ich über Steingarts Morning Briefing auf das Montreux Jazz Festival. Gabor berichtete über dieses legendäre Jazz Festival, welches alljährlich in der Schweiz am Genfer See stattfindet. Nur nicht – dieses Jahr. Dieses Jahr ist eben alles anders. Jeder Bereich des Lebens, so wie wir es bisher gekannt haben, ist infiziert mit diesem Virus. Es zwingt uns Sachen auf, von denen wir uns niemals hätten vorstellen können, derartige  Beschneidungen unserer Freiheit einfach so hinzunehmen. Und doch sind wir ja offensichtlich sehr wohl in der Lage, uns umwälzenden Veränderungen zu unterwerfen, wenn wir einen Sinn darin sehen. Allerdings leider erst auch, wenn wir mit dem Rücken zur Wand stehen. Erst dann handeln wir. Aber immerhin, wir handeln.

Zurück zu Montreux. Dieses Jazz Festival ist deshalb so legendär, weil legendäre Musikgrößen dort auftreten. Jedoch treten sie nicht nur auf, sie offenbaren sich auf der Bühne, so wie man das sonst nur selten erlebt. Einen Auftritt, hob Gabor Steingart besonders hervor: Nina Simone 1976 live in Montreux. 

Dieser Auftritt hat mich umgehauen! Ich hatte vorher noch nie einen Blick auf dieses Festival geworfen, obwohl es bereits seit Jahrzehnten eine Institution auf der Welt ist.

Einen dermaßen emotionalen Auftritt einer Künstlerin habe ich noch nicht zuvor gesehen. Selbst live nicht. Und das hier war nur aus der Konserve. Die Emotionen, diese Traurigkeit, dieser innige – aus dem tiefsten Innersten – kommende Sprechgesang, hat mehr in mir ausgelöst, als mir zu diesem Zeitpunkt richtig bewusst wurde. Erst jetzt, Tage später, merke ich, wie sehr mich dieses Video und ihr Auftritt berührt haben.

Nicht nur, dass sie eine begnadete Sängerin ist, sie spielt auch noch unfassbar gut Klavier. Die Finger schienen die Tasten immer nur Millisekunden zu berühren und schon flogen sie weiter. Es war unglaublich, ihr bei dieser Virtuosität zuzuschauen. Und dazu noch dieses Songs! Die von Liebe, Verlust, Traurigkeit und das gelebte Leben handeln. Jedes Wort, jeder Satz kam aus dem innersten ihres Ichs. Es traf mich mitten in meine Seele. Es berührte mich ungemein, diesem Gesang und diesem unglaublichen Klavierspiel zu folgen. Ein kleines YouTube Video, eine große Wirkung. Warum ich darüber schreibe? Weil ich in Zeiten ohne Corona, sicher nicht auf dieses Juwel gestoßen wäre. Die Organisatoren dieses Jazz Festivals, das seit 1967 ausgetragen wird, mussten dieses Jahr das Festival absagen. Die Gründe kennen wir alle zur Genüge: Corona macht eben selbst vor Musiklegenden nicht halt.

Stattdessen wurden auf der Website 50 Konzerte aus den vergangenen Jahrzehnten freigeschaltet. Und das kostenlos. Größen wie Marvin Gaye, Ray Charles, David Bowie, Prince, Deep Purple, James Brown, Phil Collins und Nina Simone besuchen uns seitdem in unseren Wohnzimmern, wo wir einen gigantischen Musikgenuss erleben dürfen. Eben weil wir draußen nichts mehr erleben dürfen.

Hier findest Du die 50 genialen Konzerte im streaming:
https://www.montreuxjazzfestival.com/de/50-konzerte-im-streaming/

So kommt ein Stück Freiheit zu uns in die Wohnzimmer. Was alles möglich ist in Zeiten von Corona – ich staune jeden Tag aufs Neue, wie anpassungsfähig der Mensch ist. In den letzten Jahren ist uns diese kollektive Anpassung oder schöner ausgedrückt: dieses Gemeinschaftsgefühl verloren gegangen. Denn vor der Krise wurschtelte jeder nur noch vor und für sich hin. Individualismus ist immer noch das Non Plus Ultra. An sich ist ja auch nichts Schlimmes dabei, aber es geht eben immer mehr zu Lasten des Miteinanders. Ich statt wir. In sämtlichen Bereichen. Selbstoptimierung bis tief in den Freundeskreis hinein. Wer kann mir nützlich sein, wer nicht? Knallhart wird bis zur Erschöpfung optimiert. In sämtlichen Bereichen. Selbst der eigene Schlaf ist davor nicht mehr sicher.

In dieser Krise werden wir jedoch auf unser ureigenstes Gefühl zurückgeworfen. Nämlich das Gefühl, dass allein wenig zu bewerkstelligen ist. Und Selbstoptimierung und ausschließlich das eigene Ich an die oberste Stelle zu stellen, einen in diesen Krisenzeiten NULL weiter bringen. Wir brauchen ein Gemeinschaftsgefühl, eine Gemeinschaft und sei es nur im vertrautesten Kreis der Familie. Das gibt Halt und lässt uns spüren, dass wir nicht allein da stehen mit den Sorgen und Ängsten, die uns das Virus gerade vor die Füße wirft. Selbst die Familie war in den letzten Jahren dem Selbstoptimierungswahn des Einzelnen mehr und mehr zum Opfer gefallen. Ein großer Prozentanteil der Kinder kennt nicht einmal das gemeinsame Abendessen am Tisch.

Jetzt ist endlich Zeit. Zeit, mit der Familie beisammen zu sein. Zeit, seine bisherigen Werte zu hinterfragen. Zeit, sich Gedanken zu machen, ob man sein Leben vor Corona, genau so wieder aufnehmen will. Oder ob diese Zwangspause uns nicht eher dabei hilft, zur Besinnung zu kommen und Wertevorstellungen zu revidieren oder neu zu beleben. Jeder sollte diese Zeit nutzen. Auch wenn die Umstände furchtbar sind. Aber ohne diese tragischen Ereignisse, wären wir sicher nicht da, wo wir jetzt gerade sind: Wir befinden uns alle in der gleichen Situation – auf der ganzen Welt! Das gab es vorher noch nie. Es gab immer die, die privilegiert waren und die, die es nicht waren. Das Virus macht jetzt deutlich, dass niemand besser oder schlechter ist, als man selbst. Das Virus unterscheidet nicht zwischen denen, die soviel Geld besitzen, dass allein die Betrachtung der Zahl einen schwindeln lässt. Aber dem Virus ist es egal. Es macht vor Geld nicht halt. Auch nicht vor Armut. Jeder ist gleich.

Und das wird uns in diesen Tagen bewusst. Es zeigt uns, was wesentlich ist und was nicht. Es lässt uns zumindest einige Dinge im Leben hinterfragen. Und es hat etwas in Gang gesetzt, von dem ich mir von Herzen wünsche, dass es auch nach der Coronakrise Bestand haben wird: Unsere Menschlichkeit zu bewahren, sie viel mehr zum Ausdruck zu bringen, als es bisher der Fall war. Kleine Gesten im Alltag, die auch einer Dir fremden Person zeigen: Hey, schön, dass Du da bist. Mit einem kleinen Lächeln, einer freundlichen Geste. Mehr braucht es nicht. Ein wenig Freude bereiten. So wie jetzt beim Montreux Jazz Festival. Die Musikperlen, die wir jetzt kostenlos genießen dürfen. So etwas wäre in Zeiten vor Corona undenkbar gewesen. 

Und die uns jetzt in dieser Zeit Freude bereiten. Einfach so. Ganz kostenlos. Und das geht im Kleinen wie im Großen. Jeder kann das. Wir haben ungeahnte Schätze in uns. In Krisenzeiten werden wir ihnen gewahr.

Eure Marielosophie

stay home, stay healthy

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