Dunkelorte

In Neuseeland gibt es Orte, die sich Dunkelorte nennen. Genau genommen sind es besondere Lichtschutzgebiete, an denen man den Sternenhimmel besonders gut mit bloßem Auge beobachten kann. Es muss ein Wahnsinns Erlebnis sein, die Milchstraße so klar sehen zu können, die Milliarden über Milliarden Lichtjahre entfernt ist. Diese Orte sind magische Flecken auf unserer Erde.

Demut und vielleicht auch Erkenntnis macht sich an diesen besonderen Orten breit. Der Mensch als Krone der Schöpfung käme einem hier nicht unbedingt sofort in den Sinn. Ich war leider noch nie an diesen Orten. Ich hörte nur gestern davon. Und war hingerissen, von der Möglichkeit, die Milchstraße mit bloßem Auge betrachten zu können. Es rückt uns Menschen auf den richtigen Platz. Wenn man bereit ist, sich eher als unbedeutend zu betrachten – oder als Teil dieses Ganzen.

Ich spekuliere nur, denn selbst habe ich die Erfahrung noch nicht machen können. Aber ich stelle es mir so vor. Unseren Platz, der sich nicht nur auf die Winzigkeit eines Menschenlebens runterbrechen lässt, sondern im Geflecht des vor Milliarden von Jahren entstandenen Universums; bei dem zufällig ein Planet namens Erde entstand. Zufall, alles ist Zufall. Ich schrieb vor einigen Tagen darüber. Bricht man den Zufall nicht nur auf das eigene Leben runter, sondern weitet den Zeitblick, erkennt man die Bedeutung des Zufalls auch auf einer kosmischen Ebene.

Der Zufall ist der eigentlich rote Faden, der sich über Milliarden von Jahren durch die Entstehungsgeschichte zieht.

Den Zufall mögen wir als Spezies jedoch nicht so gerne.  Führt er uns doch vor Augen, dass wir unser Leben nicht wirklich steuern können, zumindest nicht langfristig. Der Zufall – man könnte auch sagen, das Glück oder Pech – kommt einem im Laufe des Lebens immer wieder in die Quere. Doch wir blenden diese Tatsache gerne aus, denn das bedeutet, dass wir nichts wirklich und wahrhaftig in der Hand haben, sondern ein Spielball des Zufalls sind. Ich höre schon die entrüsteten Aufschreie.

Na klar, ich gebe auch nicht gerne zu, dass mein Leben nicht von mir gesteuert wurde, sondern dass ich ganz allein Einfluss darauf hatte. Oberflächlich scheint das so zu sein. Doch je mehr ich nachdenke und je mehr Lebensjahre hinter mir liegen, desto deutlicher wird mir die Unberechenbarkeit des Lebens vorgeführt. Es wäre also für mein Seelenheil von Vorteil, wenn ich nicht erwarte, dass das Leben so und so auszusehen hat.

Ich muss den Zufall immer mit berücksichtigen. Den Zufall, der mir hilft, der mich aber auch bei der Durchführung eines bestimmten Lebensplan hindert. Keine schöne Erkenntnis. Aber was hilft es, die Augen davor zu verschließen? Je weniger ich mich dranhänge an bestimmte Erwartungen, desto freier bin ich. Ist das so? Ich weiß es nicht wirklich…

Ich versuche nur Erkenntnisse für mich zu schaffen, die mir helfen, das Leben nicht als Affront gegen bestimmte Wünsche und Vorstellungen die ich habe zu begreifen, sondern einfach als das Leben. Gelingt mir das? Leidlich. Ich falle oft in jene Schleife des Bedauerns zurück. Doch ich mache Fortschritte. Etwas ändert sich im Gefühl. Das Bedauern ist nicht mehr allmächtig. Es poppt auf, aber es kann mich nicht mehr so einnehmen, wie noch vor einigen Jahren. Ich akzeptiere, dass sich der Zufall eben mal im Kleid des Glücks oder in der Fratze des Pechs zeigt. Es ist nichts persönliches. Es ist einfach nur – Zufall.

Ob etwas gelingt hängt eben nicht nur von einem selbst ab, sondern von zig weiteren Faktoren, die wir nicht beeinflussen können. Eben weil wir nicht losgelöst von anderen agieren auch nicht von der Umwelt. Wir können uns nicht lösen aus der Umwelt, als ginge uns die Zerstörung dieser nichts an. Sie ist unser Habitat – und ob wir wollen oder nicht, wir sind nur ein Teil dessen. Nicht dessen Herrscher und schon gar nicht dessen Krönung.

Demut tut gut, sie rückt Perspektiven gerade. Sie stellt sie an den richtigen Platz.

Mit Demut haben wir nicht wirklich viel zu tun. Dafür sind wir zu egoistisch. In den meisten Fällen. Demut kommt nicht wirklich täglich bei uns vor. Wann warst Du das letzte Mal wirklich demütig? Solltest Du lange darüber nachdenken müssen, hast Du schon die Antwort. Demut ist kein Alltagsbegleiter in unserer heutigen Gesellschaft. In dieser geht es nur um Effizienz und das immer Mehr und Mehr. Demut hat in einem kapitalistischen System keinen Platz. Ganz einfach! Und wir akzeptieren die Bedingungen dieses krank machenden Systems – ohne wirklich zu hinterfragen, ob es nicht auch anders ginge.

Ich will kein Fass aufmachen, denn es ginge tatsächlich auch anders. Aber in den letzten 100 Jahren – mit Beginn der industriellen Revolution – hat sich dieses ausbeuterische kapitalistische System ordentlich breit gemacht in unseren Köpfen. Es hat sich festzementiert als alternativlos, so dass jeder der Alternativen präsentiert wie es gerechter und besser zugehen könnte, wie Thomas Piketty oder auch Precht, nicht wirklich Gehör finden bei den Entscheidern. Es ist nicht gewollt, dass sich an diesem System etwas ändert. Die Entscheider hängen an der Macht und das schon seit Hunderten von Jahren.

Nur die Bezeichnungen ändern sich im Laufe der Zeit. War es früher der Adel, sind es heute die Superreichen, die bestimmen. Doch wie gesagt, ich will dieses Fass jetzt nicht weiter öffnen, denn dann schreibe ich die nächsten Jahre über nichts anderes. Und das spare ich mir noch ein wenig auf.

Aber halten wir doch den Begriff der Demut noch ein wenig in Gedanken. Tragen wir ihn in den Tag; lassen ihn zu unserem Begleiter werden. Und spüren, was eventuell passiert. Mit uns. Mit einem selbst. Vielleicht ändern sich nur Nuancen. Aber jede noch so kleine Veränderung kann am Ende eine Große werden. Geben wir der Demut eine Chance und lassen sie zu unserem Weisen in unserem Innern werden. Ein schöner Gedanke….

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