Was Buddhismus mit Angst zu tun hat

Das Unwillkommene Willkommen heißen. Den Satz hab ich heute von einer buddhistischen Mönchin gelesen. Der Angst begegnen, dem Leid nicht ausweichen; sich damit ernsthaft auseinander setzen. Nicht versuchen, diese Gefühlszustände weg zu drücken. Ich hatte nur eine Leseprobe – aber der Textauszug hat mich berührt. Obwohl ich nicht glaube, dass ich soweit bin, die Dinge so umzusetzen, wie in dem Buch wohl noch angeführt werden.

Aber:… – ich bin nicht allein. Denn so wie mir, geht es unendlich vielen Menschen auf der Welt. Der eine, der gerade die schlechte Nachricht erhalten hat, dass sein bester Freund gestorben ist. Die andere, der ihr Mann gerade eröffnet, dass er eine Affäre hat und sich scheiden lassen will. In jeder Sekunde passieren solche Dinge. Wenn sie einem selbst widerfahren, hat man allerdings das Gefühl, dass man gerade der einzige – wirklich der ganz einzige – Mensch auf der Welt ist, der gerade so leidet. So ist unsere Wahrnehmung. Würde man in diesen – für einen selbst – schlimmsten Momenten daran denken, dass es gerade vielen Menschen wie einem selbst geht, könnte man die Perspektive ändern. Man könnte dann denken: Dingepassieren.

Sich der Illusion hingeben, dass man sich vor Leid, Angst Enttäuschung und Wut schützen kann, ist eben eine… Illusion. Und dennoch kleben wir an der Vorstellung, dass es genau so ist: Dass wir uns schützen können vor Leid. Wir bemühen uns, Sicherheiten um uns herum aufzubauen, in der Hoffnung, dass uns kein Leid trifft. Aber regelmäßig wird diese Hoffnung zerstört. Wir haben nur Augenblicke, mehr nicht – in denen wir Ruhe finden. Im Gesamtfluss des Lebens jedoch, sind wir Leid, Angst, Wut, Ärger, Kummer immer wieder ausgesetzt. Und noch so jede Bemühung, sich dem zu entziehen, führt nur zu noch mehr Frust und Ärger.

Das Unwillkommene Willkommen heißen – darum geht es. Ich bin im Buddhismus nicht bewandert, obwohl ich schon immer ein Interesse daran hatte. Kurzzeitig war ich auch in einem buddhistischen Zentrum zum Meditieren. Aber das war während eines Besuchs in Köln – es war keine nachhaltige Erfahrung. Trotzallem stoße ich in meinem Leben immer wieder über den Buddhismus. Es lässt etwas in meinem Herzen klingen, nur komme ich nicht soweit, den Klang länger klingen zu lassen. Es kommt immer wieder das Leben dazwischen. Und dann verschwindet der Buddhismus wieder in einer Ecke meines Hirns und gerät in Vergessenheit.

Bis ich irgendwann wieder auf ihn stoße. So wie heute morgen. Ich habe Angst vor Leid. Ich habe Angst vor Kummer, ich habe Angst vor der Angst. Und genau das sind die Blockaden im Leben, die einen weiter leiden lassen. Es ist verzwickt! Ich lese: Ich muss die Angst zulassen. Ich muss sie akzeptieren. Ich muss sie anders betrachten. 

Wenn ich diese Zeilen lese, denke ich nur: Wie soll das gehen? 

Wie lässt man Gedanken zu, die einem Angst bereiten? 

Wie kann man sie als hilfreich betrachten, wenn man das Gefühl hat, sie verschlingen einen? 

Ich habe nur eine Ahnung, wie es gemeint sein könnte – nämlich: Wenn ich meine Angst vor der Angst verliere, verliere ich gleichzeitig auch das Leiden. Ich kann die Angst nicht verschwinden lassen. Ich muss akzeptieren, dass sie wieder und wieder auftauchen wird. Und dass ich eben nicht jedes Mal aufs Neue darüber erschüttert bin – warum mir gerade das und das passiert. Wenn ich akzeptiere, dass Angst, Wut, Leid, Ärger, Enttäuschung zum Leben gehören und nicht nur dazu gehören, sondern natürlicher Bestandteil des Lebens sind; könnte ich doch anders auf diese Angst schauen? Es sind nur meine bescheidenen Überlegungen hierzu.

Wie gesagt, ich bin nicht bewandert im Buddhismus, aber er weist mich auf etwas hin; stupst mich an, anders zu denken. Anders zu bewerten. Doch leider weiß ich auch, dass ich hier nur Worte schreibe. Sie hören sich sinnvoll und gut an; doch spätestens bei der nächsten Katastrophe werde ich keinen einzigen dieser Gedanken hervorziehen können, um die Situation in der ich mich dann befinde, anders zu bewerten. Denn dann hat die Angst das Zepter in der Hand und es bedarf eines gewaltigen geistigen U-Turns, um sich in diesem Augenblick nicht von der Angst verschlingen zu lassen.

Der Illusion gebe ich mich nicht hin. Es wird mir nicht gelingen und ich weiß just in diesem Augenblick, dass ich blockiert bin. Denn wenn ich schon im Vorfeld ausschließe, mich der potenziellen Angst nicht stellen zu können, schiebe ich damit einen Riegel vor. Ich bin in einem Teufelskreis. Ich kann nur hoffen, dass vielleicht doch irgendwo in einem Winkel meines Hirns oder vielleicht auch in meinem Herzen etwas da ist, was mir dann in dieser Situation hilft, ein winzig kleines bisschen anders zu reagieren als sonst; einen Mikromilimeter anders mit einer dieser zukünftigen Angstsituationen umzugehen. Das ist meine große Hoffnung. Mehr kann ich nicht erwarten. Doch vielleicht reicht dies bereits aus?

Spekulationen darüber kann ich mir sparen. Denn sie sind nichts anderes als Wunschvorstellungen. Wie es letztendlich sein wird, werde ich erst mitbekommen, wenn es soweit ist (ich hoffe, es dauert noch sehr lange, bis ich wieder in eine beängstigende Situation komme). Ich bemerke jedoch gerade, dass ich eben nicht hoffe, dass mir nichts Schlimmes widerfährt, sondern dass ich zumindest schon so realistisch bin, zu sehen, dass eine solche Situation ganz sicher wieder eintreten wird. Eben weil es ein Teil des Lebens ist. Vielleicht ist das ja schon der Mikromillimeter? Die Frage bleibt unbeantwortet – die Antwort wird sich erst zeigen, wenn es wieder soweit ist. Solange will ich die guten Augenblicke genießen. Denn die schlechten stehen schon vor der Tür…Ich bin nicht bereit dafür, aber gewärtig. 

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