Was hat Madrid mit Pläne machen zu tun?
Madrid versinkt im Schneechaos. Das las ich heute morgen im Spiegel online. Die Madrider sind mit Skiern und Schlitten in der Stadt unterwegs. Die Bilder sind ein klein wenig surreal. Man glaubt sich in einem typischen Skiort – und doch ist es mitten im Süden! Wer den Wandel unseres Klimas immer noch leugnet, der lebt in der Tat in einer Parallelwelt. Und plötzlich kommt mir ein Interview ins Hirn, welches ich vor einigen Tagen gehört habe. Mit Graeme Maxton – Mitglied des Club of Rome – der bereits seit 50 Jahren vor der nahenden Klimakatastrophe warnt. Er macht deutlich, dass wir uns mittlerweile in einem Zeitkorridor befinden, der sich immer mehr verengt, was die Schadensbegrenzung des Klimawandels angeht. Und wenn wir diesen Korridor an noch verbleibender Zeit nicht nutzen, um das Schlimmste abzuwenden, dann werden wir in spätestens 20 Jahren den gesamten Süden vertrocknet und unsere Breitengrade mit Temperaturen dem heutigen Süden vergleichbar, verwandelt haben.
Und heute morgen kam mir diese Eindringlichkeit wieder in den Kopf. Aus – der Traum vom Niederlassen in sonnigen Gegenden. Der Süden wird dann so trocken sein, dass die Menschen dort in den Norden zu uns flüchten werden. Und schon löst sich ein weiterer Traum – man könnte auch sagen – Plan auf. Wieviele Vorstellungen und Träume werden wir in den kommenden Jahren noch begraben müssen? Mein – vielleicht etwas naiver Wunsch – im sonnigen Süden die eigenen Lebensstunden zu verbringen, wird sich so wohl nicht mehr realisieren lassen. Weil wir die Umwelt schon soweit zerstört haben, dass unsere Vorstellungen nicht mehr mit den realen Umständen zusammen passen werden. Und da kommen wir schon zum nächsten Punkt:
Pläne machen.
Inwieweit können wir überhaupt noch realistische Pläne machen?
Wir sehen schon jetzt, dass sich von einem Tag auf den anderen das komplette Leben ändern kann. Das gesamte Lebensmodell steht auf dem Prüfstand und das aufgrund eines winzig kleinen Virus, das uns mit eiserner Klammer im Griff und – buchstäblich – in Atem – hält. Was nützen Pläne, wenn sich diese auflösen, wie das Eis auf den Polkappen? Doch Pläne können Hoffnung spenden. Sie vermitteln einem die Illusion, dass ich es selbst in der Hand habe. Aber habe ich das wirklich? Ich denke – nein. Du kannst planen und planen, dir alles zurecht legen, nach Plan handeln bis ein Ereignis Deinen Plan von einem Augenblick zum anderen zur Makulatur werden lässt.
Das ist ganz und gar nicht das Gefühl, das du haben willst. Denn Du machst ja Pläne, um genau dieses Gefühl der Unsicherheit nicht zu haben. Du willst Sicherheit, planst und feilst und planst weiter -und am nächsten Tag ist nichts mehr so wie Du es bisher gekannt hast. Und plötzlich sitzt sie dir im Nacken, die Unsicherheit und Du willst die Unsicherheit nicht. Du willst Deinen Plan, der dir doch Sicherheit versprochen hat, weiter durchziehen. Aber der Plan ist nichts weiter als ein Wunsch, eine Vorstellung, eine Erwartung. Und diese können in Erfüllung gehen, sie können sich aber auch genau so gut einfach auflösen.
Aufgrund von Faktoren, die du null beeinflussen kannst. So sicher, wie dein Plan auch ausgesehen mag. Letztendlich ist es eine Illusion zu glauben, wir könnten wirklich planen. Wir machen uns etwas vor. Und das liegt daran, weil wir unsere eigene Endlichkeit tagtäglich verleugnen. Wäre sie uns wirklich wirklich täglich bewusst, kämen wir nicht auf die Idee Pläne zu machen.
Pläne dienen nur dazu, uns in Sicherheit zu wiegen.
Doch es ist nur eine scheinbare Sicherheit. Und es ist verständlich, dass wir uns nicht wirklich eingestehen wollen, dass wir unser Leben letztendlich nicht ausschließlich selbst in der Hand haben, sondern dass es jederzeit durch eintreffende Ereignisse, anders verlaufen kann. Mir gefällt das ganz und garnicht. Doch was nützt es mir, mir etwas vorzumachen? Damit belüge ich mich nur selbst und sehe der Realität nicht ins Auge. Pläne waren eine Zeit lang super wichtig für mich. Ich hatte einen Lebensplan, der so nicht aufgegangen ist. Mittlerweile habe ich damit Frieden geschlossen, mit meinem nicht erfüllten Lebensplan. Und deshalb hüte ich mich, langfristig noch Pläne zu entwerfen.
Ich habe eine grobe Ahnung, in welche Richtung sich mein Leben bewegen soll. Aber ich hüte mich, einen konkret ausgearbeiteten Plan für mein restliches Leben zu machen. Denn mir ist bewusst, dass ich mich damit nur selbst betrüge. Der Plan ist nichts als ein Plan – ein Wunsch – das Leben in diese oder jene Richtung zu lenken.
Aber es geht nicht ums Lenken. Es geht ums Wahrnehmen.
Auf das in sich horchen. Und dann daraus so etwas wie ein Gefühl zu entwickeln, was ich wirklich möchte. Und diesem Gefühl kann ich folgen, solange es die äußeren Umstände ermöglichen. Und ändern sich die Umstände, dann kann ich eventuell dem Gefühl nicht in dem Maße weiter folgen, aber ich kann mein Denken ändern und damit meinem Gefühl von einem gelingenden Leben weiter nachspüren; ohne mich sklavisch an einen Plan halten zu müssen.
Ich passe mich an – an die Umstände – und versuche dabei mein Gefühl für mich selbst nicht zu verlieren.
Mehr kann ich nicht erwarten. Alles andere wäre naiv. Pläne sind toxisch! Sie vermitteln dir eine Aussicht, die sich vielleicht nicht erschließen wird. Weil sich die Umstände – so nenne ich sie mal – jederzeit ändern können. Sich das klar zu machen, kann helfen, besser durch die Zeiten zu kommen; die ganz sicher ungemütlicher werden, als in der Vergangenheit. Dazu stehen zu viele Umbrüche an. Ich will sie hier nicht aufzählen, denn das trübt den Blick. Ich möchte nicht mit trüben Blick in die Zukunft schauen, ich möchte mit realistischem Blick nach vorne schauen. Mit dem klaren Bewusstsein, dass sich alles anders entwickeln kann, als es einem lieb ist.
Und wenn ich wieder einmal in diese Situation komme, dann bin gefeit gegen die Widrigkeiten, denn ich habe mir nicht vorgemacht, wie mein Leben zu verlaufen hat. Ich bleibe geschmeidig und flexibel und beharre nicht auf Plänen, die mich nur unglücklich machen. Ich schaue nach vorn, ohne mich einzuengen. Ich erwarte nicht mehr, dass mein Plan aufgeht. Vielmehr ist mir bewusst, dass mein Plan jederzeit nicht mehr zu den Umständen passt. Und je freier ich in meinen Erwartungen bin – desto gesünder für mein Seelenheil.
Früher liebte ich Pläne, heute verteufele ich sie fast. Obwohl mir bewusst ist, dass für viele ein Plan wichtig ist. Nur die Sichtweise sollte nicht so starr darauf gerichtet sein, denn dann stürzt man ins Unglück. Und der Plan erweist sich letztendlich eben nicht als Sicherheit, sondern er zeigt sein böses Gesicht der Starrheit. Verharrt man trotz aller äußeren Umstände auf einen einmal gefassten Plan, tappt man leicht in die Falle. Denn dann vermittelt ein Plan keine Sicherheit mehr, sondern nur noch ein sklavisches Festhalten unerfüllter Wünsche. Die eigentliche Freiheit liegt nicht im Pläne machen, sondern in einem geschmeidigen Umgang mit den äußeren Umständen und der eigenen Gefühlslage. Und das ist mehr, als ein Plan – als Vorgaukelung eines Versprechen – jemals halten kann.