Hier wird ihnen geholfen! Wirklich? Zu den geplanten November Nothilfen Corona
Es ist so: Alles bleibt kompliziert. Die neuen Nothilfen für November werden sehr wahrscheinlich über das gleiche digitale Portal abrufbar sein, über die auch die bisherigen Überbrückungshilfen beantragt wurden. UND DAS BEDEUTET: Nur mit Hilfe eines Steuerberaters, eines steuerberatenden Wirtschaftsprüfers oder eines vereidigten Buchhalters kann man diese Gelder abrufen.
WAS DENKEN DIE EIGENTLICH?
Dass jeder kleine Soloselbständige sich einen Steuerberater leisten kann? Bullshit! Komplett an der Realität vorbei.
Wobei ich die Beweggründe der Regierung ja noch nachvollziehen kann. Die Regelung dient dazu, kriminelle Machenschaften weitgehend zu unterbinden. Nachvollziehbar und doch absolut nicht hilfreich für die zig vielen, die eben keinen Steuerberater an ihrer Seite haben. Denn dazu fehlt ihnen schlicht und einfach: das Geld!
Es ist ein Witz: Es liegen Milliarden im Topf und niemand ruft sie ab!
UND WARUM? Eben genau aus diesem Grund: ein Steuerberater kostet Geld. Und zwar ordentlich!
Von meiner Freundin, die Steuerfachgehilfin ist – habe ich gehört, dass allein schon 800 Euro fällig werden, nur dafür, dass sich der Steuerberater über diese Plattform registriert und den Antrag abschickt. 800 Euro! Und dann hat er aber noch nicht die Daten überprüft, geschweige denn gebucht. Denn die Daten flattern ja nicht einfach so ins Haus, die muss der Soloselbständige bereits vorher erfasst haben oder erfasst haben lassen. Auch muss eine Abschlussprüfung erfolgen, die wiederum Geld kostet.
Und es gibt ein weiteres Problem: In der Praxis ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass kleine Soloselbständige in den meisten Fällen ein ganzes Jahr hinterherhinken mit der Abgabe der Steuererklärung. Das heißt: die meisten haben die Erklärung für 2019 noch gar nicht beim Finanzamt eingereicht! (Ich schreibe aus direkter Erfahrung) Und das wiederum bedeutet: Sie können die Gelder nicht abrufen, denn sie haben ja noch keine Steuererklärung abgegeben.
Aber es kommt noch ärger: Viele schieben die Steuererklärung auch ganz bewusst vor sich her, weil mit Abgabe dieser – in den nächsten Wochen mit einer Steuernachzahlung zu rechnen ist, falls man Gewinn erwirtschaftet hat. Steuernachzahlung JETZT, wo alles wieder dicht gemacht wird? Und eigentlich ging es ja darum Gelder abzurufen. Und nicht mit noch mehr Nachzahlungen konfrontiert zu werden. Stattdessen stehen die Soloselbständige plötzlich vor folgendem Dilemma: Steuererklärung jetzt einreichen, um an die Gelder zu kommen, mit dem Nachteil, dass diese Gelder dann für die Steuernachzahlung verwenden werden müssten?
Macht wenig Sinn, oder? Selbst eine Stundung einer Nachzahlung wird nur für 3 Monate möglich sein, und ob dann alles in Reihe ist -weiß doch niemand. Und die Schulden stauen sich ja auch nur – sie lösen sich ja nicht auf!
Und so bleibt alles beim Alten:
Die meisten werden diese neuen Hilfsgelder mal wieder NICHT abrufen; in Ermangelung eines nicht vorhandenen Steuerberaters.
Genauso lief es auch bei der Überbrückungshilfe II. Von den bereitgestellten 25 Mrd. Euro liegen immer noch knapp 24 Mrd. Euro in diesen Töpfen!! Es wurde also gerade einmal 1 Mrd. Euro abgerufen! Und warum? Weil sich das Gros keinen Steuerberater leisten kann und die Praxis so kompliziert ist, dass viele im Vorfeld bereits kapitulieren.
Wie soll auch jemand, der keinen Cent auf der Kante hat, in Vorleistung von 1000 Euro und mehr treten, wenn er noch nicht einmal die nächste Miete wird zahlen können? Auch wenn es heißt, das Geld für den Berater wird anteilig erstattet. ZUERST! muss der Soloselbständige in Vorleistung treten – zusätzlich mit dem Risiko – einen abschlägigen Bescheid zu erhalten. Und das bedeutet: er bekommt NICHTS! Weder die Kosten erstattet noch die dringend benötigte Hilfe. JACKPOT!
Mir kann übrigens keiner weismachen, dass von den Verantwortlichen nicht einer darüber gestolpert sein soll, warum der Hilfstopf immer noch so prall gefüllt ist, obwohl so viele Betroffene kurz vor dem Aus stehen. Mir zeigt das nur, dass die Regeln von Personen gemacht werden, die sich NULL in die Lage der Betroffenen und Selbständigen hineinversetzen können.
Es ist zum Haare raufen. Das Geld ist da und nur die wenigsten profitieren davon
Und jetzt wird großspurig gelobt, dass 10 Milliarden für die Umsatzausfälle im November bereitgestellt werden, die jedoch nichts weiter sind, als die bisher NICHT abgerufenen Milliarden aus eben diesem Topf! Mich beschleicht der Verdacht, dass hier nur Augenwischerei betrieben wird. Hier gehen Realität und Theorie komplett aneinander vorbei. Anstatt die Kriterien anzupassen, wie die Beantragung auch ohne Steuerberater möglich wäre, wird hier nur stur der Stiefel durchgezogen. Beispielsweise könnte man das Prozedere einfach über das Finanzamt laufen lassen. Die Gefahr eines Missbrauchs wäre damit gleichfalls minimiert.
Obwohl die Praxis ganz klar zeigt, dass es nicht funktioniert, wird nichts am Beantragungsprozedere geändert. Die HIlfe verpufft absolut wirkungslos. Noch steht offiziell nicht fest, ob es bei den neuen Hilfen tatsächlich nur mit Hilfe eines Steuerberaters möglich sein wird, die Gelder abzurufen. Aber alles deutet darauf hin. Ich habe mir die Pressekonferenz der Herren Scholz und Altmaier angehört – in voller Länge. Noch nicht eingefärbt von den jeweiligen Journalisten und deren Medienhäuser. Und für mich hörte sich das exakt so an: Die bisherige Praxis bei der Beantragung der Überbrückungshilfen wird beibehalten. Obwohl über 95% der Gelder nicht abgerufen werden. Aber wen kümmert diese Kleinigkeit? Hauptsache das System hat sich gegen kriminelle Zugriffe bewährt und man selbst steht als Samaritter in der Öffentlichkeit dar. Denn im Grunde geht es doch nur um Wählerstimmen. Auch wenn der Sinn und Zweck dieser Hilfen damit komplett ad absurdum geführt wird.
Hier wird Ihnen geholfen.
Leider nur eine Illusion!
Maria Kelzenberg – Betroffene –
30.10.20
2 Kommentare
Zaharu Creutz
Danke für diese ausführliche Erklärung, wie es denn nun „wirklich“ mit der finanziellen Hilfe aussieht! Mir war das nicht bewusst, da es mich nicht direkt betrifft, aber indirekt schon, da ich in meiner Familie Solo-Selbständige habe! Ich denke, dass diese Unwissenheit wie ich viele haben, da die Regierung keinerlei Interesse hat dort Aufklärungsarbeit zu betreiben! Wenn das ganze über einen Steuerberater etc. gehen soll, dann muss die Regierung auch dafür Sorge tragen, dass die Kosten dafür nicht von den Solo-Selbständigen zu tragen sind, sondern auch z.Bsp. von einem speziellen Topf oder eben keine 800€ oder mehr zu bezahlen sind, wenn man einen Steuerberater in Anspruch nehmen muss! Es muss doch für die Solo-Selbständigen bezahlbar sein, denn sie haben doch eh schon keine Einnahmen und woher sollen sie dann 800€ oder mehr nehmen, um die finanzielle Hilfe in Anspruch zu nehmen? Das ist doch ein Widerspruch in sich!!!!!!!
marielosophie
Danke Dir sehr für diesen Kommentar liebe Zaharu – eine kleine Anmerkung dazu: Die Regierung sieht vor, die Kosten zu erstatten, allerdings ERST, wenn die Beantragung erfolgt ist durch den Steuerberater – UND! – der Antrag bewilligt wurde. Ist das nicht der Fall, bleibt der Solo Selbständige auch noch auf diesen Kosten sitzen! Und das riskieren die wenigsten.
Ich werde weiter berichten und noch um einige Fakten ergänzen.