Platon wusste es längst

Gestern sind wir beide mal wieder zu großen Erkenntnissen gelangt, die allerdings bereits jahrzehntelang bekannt sind. Doch manchmal braucht man fast das ganze Leben, um wirklich zu begreifen, was sie bedeuten. Es klingt fast banal, was ich jetzt schreiben werde, doch das macht gar nichts; wichtig ist nur, dass diesmal das Gefühl zu dieser Erkenntnis mitzieht. Der Verstand hat alles längst aufgenommen und abgelegt. Das Gefühl jedoch war nicht dabei. Worum es geht? Ganz einfach: Die Welt, wie wir sie uns zurechtgelegt haben, wie sie zu sein hat, das alles wurde uns durch das Fernsehen in vorgefertigten Portionen präsentiert. 

Wie Familienleben funktioniert,
wie eine romantische Liebe funktioniert,
wie Erfolg funktioniert…-
die Liste ist lang. 

Du wirst hirngewaschen, dir wird ein Leben vorgegaukelt, wie es ideal sein sollte aber in der Realität niemals funktionieren wird. Deine Vorstellungen jedoch von diesem idealen Leben sind eingebrannt in deine Hirnrinde, ohne dass du es bemerkt hast. Bereits im Kindesalter, mit allen Filmen die dir damals die perfekte Welt suggeriert haben. Und dann bemerkst du, dass die Realiät überhaupt nicht mit dem übereinstimmt, was du im Fernsehen gesehen hast. Und beginnst dich zu fragen, was mit dir selbst nicht stimmt. Warum läuft es nicht so, wie du es gesehen hast? Warum passt die Vorstellung und die Realität nicht zusammen?

Und jetzt beginnst du, die Realität an die Fiktion anpassen zu wollen. Du willst genau so erfolgreich im Job sein, wie der Typ in Wall Street. Du willst genau so eine bedingungslose Liebe wie bei Romeo und Julia. Du willst genau so ein Leben, wie du es gesehen hast. Im Fernsehen. Und begreifst immer noch nicht, warum es nicht so wird. Denn das Leben ist eben kein Ideal. Es ist nicht so, wie Dir suggeriert wurde. Weder in der Liebe, noch im Job, noch überhaupt. Es ist komplett gegensätzlich und unausgewogen; es ist anstrengend und es ist niemals, niemals so wie es dir vorgemacht wurde. Das Schlimmste jedoch ist, dass Du es nicht bemerkt hast. Die falschen Vorstellungen haben sich in den ganzen Jahren gefestigt. Die Vorstellungen eines bestimmten Narrativs, dass Dich erfolgreich manipuliert hat:

-So hat Glück auszusehen

-so hat Erfolg auszusehen

-so funktioniert Liebe

-so funktioniert das Leben

Das Scheitern ist vorprogrammiert. Denn in dem Versuch deine eigene Realität der Fiktion anzupassen, stößt du permanent auf das wahre Leben. Die Kollisionen häufen sich, bis zum Schluss nichts mehr zusammenpasst. Weder Deine Vorstellung vom Leben, noch die Fiktion. Alles fällt auseinander. Und du stehst plötzlich vor deinem Leben und bekommst nichts mehr zusammen.

Und warum? Aufgrund dieser ganzen angehäuften falschen Vorstellungen, wie ein Leben auszusehen hat. Dieser ganze romantische Scheiß eines perfekten Lebens, dient nur dazu das Unglück darüber größer und größer zu machen, je mehr Enttäuschungen dazu kommen. Und wie kommen die Enttäuschungen zustande? Weil du nach und nach begreifst, dass die Realität nicht im geringsten etwas mit dem zu tun hat, was dir die Filmindustrie, die Gesellschaft, das System vorgesetzt haben. Du enttarnst die Täuschung. Und das erzeugt ein Gefühl – dass keinem gefällt: das Gefühl des Betrogenwordenseins.

Du hast vertraut. Du hast darauf vertraut, dass das was dir da gezeigt und erzählt wird, tatsächlich die Realität abbildet. Und jetzt musst du feststellen, dass du nur Illusionen und Wunschvorstellungen hinterhergejagt bist. Das ist nicht unbedingt förderlich für ein gelingendes Leben. Nun sind die Spuren dessen, soweit in dein Hirn eingebrannt, dass du nun für den Rest deines verbleibenden Lebens versuchst, diese Spurrillen, die so tief sind wie der Grand Canyon, auszugleichen. Oder zumindest neue Spuren daneben zu setzen.

Du befindest dich in einer ständigen Dissonanz zwischen deiner äusseren und deiner inneren Welt. Die beiden zu einem Bild zusammen zu bekommen, ist die Königsdisziplin. Denn es behagt dir gar nicht, wie die Realität aussieht. Du kommst nicht klar mit all den hässlichen Problemen, denen du in der Realität ausgesetzt ist. Es müsste doch alles ganz anders aussehen in deinem Leben, denkst du dir und vergleichst permanent die Bilder, die in deinem Kopf geistern, mit den Bildern des wahren Lebens. Und nichts passt zusammen. Es fügt sich nichts zusammen. Ganz im Gegenteil, je mehr du dich im wahren Leben aufhältst, desto klarer wird dir, dass etwas ganz und gar nicht stimmt.

Doch weil du viel arbeitest um deinen Lebensunterhalt zu verdienen und weil du keine Zeit hast darüber nachzudenken, bleibt nur dieses ständig diffuse Gefühl. Um genauer darüber nachzudenken, wäre Muße von Vorteil. Aber das darf nicht sein, denn auch hier verhindert dein Glaubenssatz vom Faulsein, dass sich nur Leistung lohnt, nicht Muße. Und so lebst du in dein Leben hinein, mit deinen falschen Vorstellungen im Hirn und dem Leben da draußen und kommst dir vor wie Sisyphos, der auf ewig den Fels den Berg hoch rollt, nur damit dieser von oben wieder herunter kullert. Doch du hast die Vorstellung, dass du diesen Fels hoch rollen musst, damit dieser wundervolle Berg weiter anwachsen kann. Denn das wurde dir so vorgemacht. Und so rollst du und rollst du diesen Fels den Berg hoch und jedes Mal kommt dir die Realität in die Quere.

Und du bist traurig, du bist frustriert, du bist enttäuscht und doch machst du weiter. Denn du kennst nichts anderes. Und Zeit darüber wirklich nachzudenken, hast du nicht. Denn du bist ja mit dem Hochrollen des Felsen beschäftigt. Und genau das ist das Leben: Wenn du nicht bemerkst, dass dir Unwahrheiten über die Realität erzählt werden, dann findest du dich in Platons Höhle wieder: Mit den Schatten an den Wänden und der Vorstellung, das sei die Realität.

Und genau das passiert mit uns. Uns wird eine Lebens- und Handlungsweise vorgegaukelt, die angeblich das Leben wiederspiegelt oder wie das Leben auszusehen hat! Und du fühlst dich wie ein Loser, wenn es dir selbst nicht gelingt, die Geschichten, die dir vorgespielt werden, dieselbe ideale Lebens-Geschichte in deinem eigenen Leben zu erzeugen. Du kommst dir vor wie ein Versager, weil nichts von dem übereinstimmt, was in deinem Hirn als scheinbar perfektes Leben an Vorstellungen herumgeistert.

Es kann nicht funktionieren. Und doch kann man sich dem nicht entziehen. Die einzige Chance ist, dass man irgendwann aufgrund einer persönlichen Katastrophe so weit von Realität und Wunschvorstellung geschleudert wird, dass die Fata Morgana sich auflöst und du einen kurzen Blick hinter den Vorhang des wahren Lebens werfen kannst. Was Du dort findest, wird dir nicht behagen. Aber keiner hat behauptet, das Leben sei behaglich. Stimmt nicht, denn genau das wird ja in den Medien suggeriert. Das Glück findest du wenn ….

Tja, genau dieses kleine Wort – wenn – ist verantwortlich für dein gesamtes Unglück.

Wenn Du Dich anpasst…

Wenn Du fleißig bist…

Wenn Du leistet…

Wenn, wenn, wenn…

Vergiss es einfach! Fange an, das Leben zu erkennen. Fange an, genauer hinter den Vorhang zu schauen, anstatt dir etwas vorspielen zu lassen. Fange an, deine Bilder im Kopf durch das echte Leben zu ersetzen. Es wird dir nicht gefallen, aber immerhin ist es dein Leben und nicht eine Vorstellungen der Anderen– der Gesellschaft – die dir aufgedrückt wurden. Es werden deine Vorstellungen sein und ich bin sicher, dass sich diese wesentlich besser mit dem wahren Leben vereinbaren lassen, weil du deine eigenen Vorstellungen vom Leben real erfahren hast. Es sind keine Fakes, keine romantisierten Lebensgeschichten, digital erfunden. Sie sind real und vor allem sind diese Vorstellungen eins: ehrlich

Versuche Muße, verschenke keine Zeit an einen schwarzen Kasten, der dir nur die Umrisse des Lebens an die Wand wirft.

Versuche.Das.Echte.Leben.

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